Tillmans treffen. Ein Kommentar.

© Bachler

Tillmans treffen. Ein Kommentar.

Es ist ein exklusiver Raum, in dem das Albertinum seit Ende Mai Fotografien von Wolfgang Tillmans präsentiert. Doch warum kann ich mit den meisten Fotos so wenig anfangen, warum berührt mich die Installation kaum? Weshalb funktionieren, meiner Meinung nach, weder die Bilder noch deren Zusammenstellung? 


Der Künstler selbst hat die Anordnung der dreiundzwanzig Bilder (plus elf kleinformatiger Fotografien) festgelegt, die allesamt aus Schenkungen stammen, Schenkungen, an denen sich auch der Künstler beteiligt hat. Eine schöne Geste also, über die sich die SKD und das interessierte Publikum zu Recht freuen können. Spätestens seit der Verleihung des Turner Preises im Jahr 2000 gehört Wolfgang Tillmans zu den weltweit bekanntesten deutschen Künstlern, der sich den Mitteln der Fotografie bedient. So war meine Erwartung auch dementsprechend hoch, den »Tillmans-Raum« in Ruhe anzusehen, der zwischen Josef Albers »Hope again« und dem »Tausendjährigem Reich« von Hans Grundig  so passend aufgehoben ist.

Den ersten Eindruck hier gehört der eher unkonventionelle Präsentation der Arbeiten. Bilder aus unterschiedlichen Genren, in Format, Technik und Rahmung ebenfalls verschieden, sind zu einer Rauminstallation zusammengestellt, die dazu auffordert, Beziehungen zwischen den einzelnen Fotografien herzustellen. Zu dem hier gezeigten Arbeiten gehören großformatige, abstrakte Bilder aus den »Freischwimmer« und »Silver« Serien, Portraits aus der Neunzigern (Chris Cunningham) aber auch ganz aktuelle Fotos wie die Detailaufnahme bemooster Steine in der Kathedrale von Coventry.

Doch warum kann ich mit den meisten Fotos so wenig anfangen, warum berührt mich die Installation kaum? Weshalb funktionieren, meiner Meinung nach, weder die Bilder noch deren Zusammenstellung? Ich erinnere mich gut an die Zeit, als Tillmans Fotografien für Furore sorgten. Portraits von Kate Moss, die auf den Bildern so unvorstellbar normal aussah, dass ich sie erst bei durchlesen der Bildlegende erkannte. Oder der »man pissing on a chair«. Mit welcher Ruhe und Sorgfalt man auf einen Sessel (eine Art Breuer-Freischwinger mit grünem Polster) doch urinieren kann! Kate Moss hat, für Tillmans posierend, auch auf einem dieser grünen Stühle gesessen. Dann die Serien »Concorde« und »Cars«, die beide, durchaus in der Tradition der Konzeptfotografie stehend, im ihrer Mischung aus Ödnis und Witz so großartig sind. Der immer wiederkehrende Landeanflug der Concorde, der immer wieder neu fotografiert wird. Und die Autofotos. Endlich hat ein Künstler einmal nicht versucht, Fahrzeuge (durch geschickte Wahl des Blickwinkels o.ä.) auf seinen Fotos auszublenden.  Tillmans hat exakt das Gegenteil gemacht und Autos schlichtweg ins Zentrum seiner Arbeit gestellt. Das Ergebnis ist vor allen Dingen furchtbar real: unsere Städte, unsere Straßen – aufgefressen von Blechlawinen.  Doch wo ist diese Genauigkeit, dieses Radikalität jetzt hin?

Bei den Bilder im Albertinum nimmt das Thema Krieg, Schuld und Versöhnung  eine zentrale Rolle ein. Coventry, St. Petersburg, Dresden, Reichsprogromnacht, die abfotografierte »Litanei der Versöhnung«. Doch haben all diese Bilder, einzeln betrachtet, kaum visuelle Überzeugungskraft. Die Detailaufnahme der kriegszerstörten Katheadrale von Coventry – langweilig. Der Landeanflug auf St. Petersburg – ein Touristenfoto. Die Fotos der wiederaufgebauten Frauenkirche – nichtssagend. So oder ähnlich ging es mir bei den meisten der ausgestellten Aufnahmen.

Foto: T.B.

Man könnte nun einwenden, dass Tillmans ganz bewusst die sogenannten Parameter, die angeblich ein gutes Foto ausmachen, negiert. Bei den erwähnten »Cars« ist dies durchaus der Fall. Auch treffen Aufnahmen wie die »Faltenwurf«-Fotos genau den Punkt zwischen privatem Schnappschuss und klassischem Stillleben. Doch die Flucht ins bewusst Unprofessionelle funktioniert nur dann gut, wenn die neuen Lösungen überzeugender sind als die alten. Aber das sind die im Albertinum ausgestellten Arbeiten nicht. Da kann auch die zugegebenermaßen sehr gekonnte Zusammenstellung der Fotos nichts mehr daran ändern, dass ich diese Installation schlichtweg für uninteressant und langweilig halte.

Vielleicht wurde Tillmans durch seinen Erfolg ein- und überholt? Wer sich die jährlichen  Akademiepräsentationen ansieht, wird immer wieder auf vergleichbare Arbeiten stoßen: Fotos verschiedenster Genren und Herkünfte, gepaart mit privaten, eher szenischen Bildern. Das Ganze dann locker gegenübergestellt: der Partyschnappschuss neben dem Parkplatzfoto. Tillmans Welt ist überall. Sie ist auch leicht mitzunehmen. Die ausgestellten Fotos der Frauenkirche kann man einfach nachfotografieren. Der von dem Künstler abgelichtete Fassadenteil befindet sich zwischen den Kircheneingängen F und G, gleich gegenüber der Kunstakademie.

Thomas Bachler

Thomas Bachler (*1961) studierte an der Kunstakademie Kassel, gründete 1987 den “Selbstverlag” für Fotografie und Kunst und nahm ab 1990 Lehraufträge in Fotografie, Kunst und Gestaltung für das Goethe – Institut, die Fachhochschule für Gestaltung in Würzburg, die HbK Braunschweig und die HfBK Dresden wahr. 2000 bis 2002 hatte er eine Gastprofessur an der HbK Kassel inne. Vorträge und Workshops führten ihn u.a. nach Spanien, Liechtenstein und Australien. Er ist Autor der Bücher »Im Atelier«, »Im Kasten«, »Bildstelle« und »Aus der Dunkelkammer«, die sämtlich bei bautzner69/publish&print erschienen.