Zeigen, was nicht sichtbar ist
Die letzte Ausstellung im Jubiläumsjahr der Deutschen Fotothek zeigt Werke von Matthias Blumhagen, Susan Lamér und Matthias Creutziger.
Am heutigen Freitag öffnet das Buchmuseum der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden seine schwere Doppeltür für eine Ausstellung, die etwas Unmögliches versucht: nämlich mit Bildern zu zeigen, was nicht sichtbar ist. Die Konzeption dafür war, gibt die Kuratorin Agnes Matthias zu, eine Herausforderung – aber eine, die ihr großen Spaß gemacht hat. „Fotografie ist ein Medium des Sichtbaren – aber wenn die Kamera in den richtigen Händen liegt, gelingt es manchmal, spezifische Atmosphären, Sinneseindrücke oder Atmosphären spürbar zu machen. Mal metaphorisch, mal ganz direkt. Die drei Positionen, die wir ausstellen, machen das auf ihre eigene Art.“ Um die Arbeiten zusammenzustellen, ist Agnes Matthias tief ins Archiv der Fotothek eingetaucht, erzählt sie, hat viele Kisten geöffnet, künstlerische Positionen abgewogen, und das „Intensive“ im fotografischen Blick gesucht, das nun titelgebend für die Schau ist. Fündig wurde sie am Ende bei den stillen Interieurs des studierten Bühnenbildners Matthias Blumhagen ebenso wie bei den Porträts von Matthias Creutziger, die so voller Musik im Augenblick des intensivsten Erlebens sind. Als dritte Position tritt das Werk der 2021 verstorbenen Susan Lamér hinzu, die neben ihrem Brot-Job als Modefotografin auch freie Arbeiten schuf. Selbstporträts sind das vor allem, obsessive Befragungen der eigenen Person, sensibel und kompromisslos.
Beim Rundgang wirken alle drei Ausstellungsteile jeweils auf ihre Art, eindrücklich und ‚intensiv‘. Matthias Blumhagens Fotografien zeigen verwunschene, wie durch lange Erinnerungsprozesse verwaschene, melancholische Welten; die stillen Bildräume beschwören und kondensieren Stimmungen und Gefühle. Der Fotograf erzählt: „Wenn man – wie ich – eine Zeitlang versucht hat, sich im Zeichnen und der Malerei zu beweisen, ist einem ja nicht unbekannt, dass man am Anfang vor einem weißen Blatt steht. Man muss die Intensität aufbringen, auf diesem Blatt etwas Gültiges und Beständiges zu erzeugen. Zeitlebens hat es für mich eine Rolle gespielt, dieses Empfinden eines leeren Blattes in die fotografische Aufnahme zu bringen. Damit steht auch in Verbindung meine Suche nach einem ‚Original‘. Ja, was ist das eigentlich? Bei Matthias Creutziger zum Beispiel, ist das Original die einstige Situation im Konzert – oder ist es der Abzug, den wir hier vor uns sehen?“
Der Angesprochene, der seit vierzig Jahren als Fotograf arbeitet und sein riesiges Archiv im letzten Jahr an die Fotothek gab (DNN berichteten), redet gar nicht so gern über diese Momente, in denen seine Bilder entstehen. Die Fotografien sprechen ja auch für sich, nein, sie klingen! Matthias Creutziger spiegelt als Fotograf die Spontaneität und Unwiederholbarkeit des Jazz. Dabei tauchen die Fotografien immer tiefer als die üblichen Veranstaltungsfotos, sie verknappen und verinnerlichen, sie dampfen ein ganzes Konzert, eine komplexe Künstlerbiografie auf einen einzigen Bildmoment ein.
Das vielfältige, mehrere Jahrzehnte und zehntausende Abzüge umfassende Werk aller drei Künstler kann die kleine Ausstellung verständlicherweise nur anreißen. Daher seien die Besucher auch auf das riesige Online-Archiv der Fotothek verwiesen. Und auf den dieser Tage erscheinenden gigantischen, 600 Seiten umfassenden Fotoband „100 Jahre-100 Positionen“, der zur Ausstellungseröffnung druckfrisch vorliegt.
Ausstellung:
#INTENSIV
SLUB Dresden, Buchmuseum, Zellescher Weg 18, 01069 Dresden
26.10.24 — 11.01.25
Öffnungszeiten:
Montag — Freitag: 10 — 18 Uhr
Samstag und jeder 1. Sonntag im Monat: 14 — 18 Uhr
Eintritt frei
Veranstaltungen:
SUSAN LAMÈRS SELBSTPORTRÄTS: KUNST ODER SELFIES?
Donnerstag, 05.12.24, 19 Uhr
Vortrag von Wolfgang Ullrich, München / Leipzig
»Open the Box: Klang fixieren«. Fotografien von Matthias Creutziger und Archivalien zu den Tagen der zeitgenössischen Musik.
Donnerstag, 12.12.24, 17 Uhr
Mit Matthias Creutziger, Moritz Lobeck (Leiter der Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik) und Katrin Bicher, Musikabteilung
Buchveröffentlichung:
Deutsche Fotothek – »100 Jahre – 100 Positionen«
Sandstein Verlag, 600 Seiten, 450 Abb.
ISBN: 978-3-95498-800-6
Preis: 68 EUR